Deruta (Umbrien)

Che dice …?

 

… ich wünschte, ich beherrschte 

kein einziges Wort dieser Sprache, 
und stumm geht auch der Fragende weiter –

 


Ein Gesicht hat Deruta – doch ich weiß noch nicht, ob ich es erkenne. Grenzen und Engen zeigt mir die Majolikastadt, doch der Mittelpunkt fehlt mir, ein Halt, ein Griff. Nur Bilder, verstreute, lassen sich fassen, Fragmente und Blicke und Augen und Schweigen – 

 

– * –

Die großen Augen des Alten, an meinem Tisch vor der Bar. Dunkel und groß, fast zu groß für den Körper, in dem er wohnt, noch wohnt, denn sein Anblick verrät – Dünne, zerstochene Arme, erschreckend, blau unterlaufen, viel muß er erduldet schon haben, wieviel noch vor sich – Ich spüre Scheu, was bleibt zu sagen, wenn die Sprache fehlt … “Che dice?” fragt ihn einer, der vorbeikommt, “… niente …”, die Antwort – langes Schweigen, ich halte mich fest am “Messagero”, wünschte, ich beherrschte kein einziges Wort dieser Sprache, und stumm geht auch der Fragende weiter –

 

– * –

Ich betrete San Francesco, wohl zwei Dutzend, drei Dutzend Vereinzelte warten im Halbdunkel, still, fast zu greifen die Stille. Da wird neben mir das Haupttor geöffnet, es kracht und kreischt, am rechten Flügel drängt sich die Abendsonne herein, die Wartenden zu irritieren – die meisten drehen sich um, auch der Organist ganz vorne: Warum wird hier gestört, was will man von ihm? Doch er wendet sich um, seinen Tasten zu: Die Melodie beginnt mit leisen, getragenen Tönen, und ich frage mich: Wessen wird hier gedacht –

 

– * –

Aus dem Nest gefallen ein junger Vogel, vor den Toren der Stadt – wer versteht je das Werden und Sterben, den Gang der Natur? So kommen Fragmente zusammen in Deruta, wo die Mauern und Wände kein Vertrauen erwecken. Sie ähneln sich alle, die Majolikaläden mit ihrer Ware, die sich aufdrängt an Wänden und Gassen und Wegen und Zäunen. Gefunden schon alles, die Stadt mit Preisschild versehen für den Eingeweihten, der den Austausch erkennt. Doch was Dutzende Läden an Stilvollem versprechen, an Schmuck und an Farbe, wo bleibt es bei den Menschen, den Häusern?

 

Zwei Gesichter hat die Stadt – das der Läden und das der Häuser. Oft sehen sie einander nicht in die Augen, das Deruta da draußen, das Deruta da drinnen, denn nichts gibt es, das hier noch wächst, nicht Suchendes, Lebendes. 

 

© Günter Exel

 

 

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